“Deutschlandsberg braucht eine AHS-Unterstufe, um die Vielfalt der Bildungsmöglichkeiten auch den 60.000 Menschen zu bieten, die in diesem Bezirk wohnen”, unterstützt Dr. Rainer Gögele, der Obmann von Pro Gymnasium Österreich, entsprechende Anliegen der Bevölkerung in diesem Bezirk. “1962 hat der damalige Unterrichtsminister, Heinrich Drimmel (ÖVP) angekündigt, es sei das Ziel der Bundesregierung, in jedem Bezirk ein Gymnasium zu errichten – 54 Jahre später ist dieses Anliegen für 93 % der österreichischen Bezirke verwirklicht, nicht jedoch für Deutschlandsberg, Südostersteiermark und Murau in der Steiermark, Hermagor und Wolfsberg in Kärnten, Scheibbs in Niederösterreich, Steyr-Land in Oberösterreich und Jennersdorf und Güssing im Burgenland. Das ist eine Ungerechtigkeit, die beseitigt gehört”, verlangt Gögele.
“Der Bezirk Deutschlandsberg braucht ein hervorragendes Bildungssystem. Durch die Konzentration der gymnasialen Bildungseinrichtungen im Ballungsraum Graz entsteht für den Grenzlandbezirk Deutschlandsberg ein massiver Nachteil und bedeutet defacto eine Schwächung des Entwicklungspotenzials des Bezirkes. Gute Schulen sind immer ein wichtiges Faktum im Festlegen des Lebensmittelpunktes junger Familien. Das Fehlen solcher Bildungseinrichtungen verursacht nicht nur sozio-ökonomischen Schaden, es bedeutet tatsächlich eine Barriere für die langfristige nachhaltige Entwicklung der Region”, hält dazu Dr. Gerda Lichtberger, die steirische Landessprecherin von Pro Gymnasium, fest.
“Bislang konnten die Hauptschulen mit ihrer Leistungsdifferenzierung die Kinder hervorragend auf eine höhere Schullaufbahn vorbereiten. Die Neue Mittelschule kann an diese Leistungen nicht anschließen, der Druck auf die Gymnasien steigt. Das ist unerfreulich und gehört repariert”, meint Gögele, “aber die Schüler des Bezirks Deutschlandsberg können nicht darauf warten, bis die Neue Mittelschule durch entsprechende Reformen wieder auf ‘Hauptschulniveau’ gebracht werden kann.”
Leserbrief dazu in der Kleinen Zeitung vom 3.2.2016:
Deutschlandsberg ist einer von neun Bezirken in ganz Österreich, die über keine AHS-Langform verfügen, was sich nachteilig auf die Region und besonders die SchülerInnen auswirkt. Die Existenz oder das Fehlen eines Gymnasiums ist eine Standortfrage für junge Familien, die sich berufsbedingt einen neuen Wohnsitz suchen. Deutschlandsberg verliert Zuzug, da Eltern keine Entscheidungsmöglichkeit bei der Schule der 10- bis 14-Jährigen haben.
Kinder haben ein Recht auf eine umfassende und aufbauende Allgemeinbildung, und diese wird nur im Gymnasium geboten. Kinder brauchen eine Schule, in der sie in alters- und leistungshomogenen Klassen unterrichtet werden. Welcher Fortschritt war es, als die ursprünglichen Dorfgesamtschulen mit allen Kindern in einem Raum endlich in Klassen aufgeteilt werden konnten! Jetzt will man mit Heterogenität als Schlagwort in den NMS wieder einen Zustand herbeiführen, der schon lange überwunden war, nämlich größtmögliche Leistungsunterschiede in einer Klasse. Abgesehen von den Nachteilen für Kinder ist dieses System auch eine Zumutung für LehrerInnen, die für eine Unterrichtsstunde etwa drei verschiedene Übungen ausarbeiten müssen, um dem Unwort der Binnendifferenzierung gerecht zu werden.
Das Gymnasium hat immer funktioniert, denn keine andere Schulform kann leistungsmäßig den Gymnasien das Wasser reichen. Dieser Erfolg erzeugt offensichtlich Neid, denn mittlerweile wird das Gymnasium von manchen BildungspolitikerInnen als Problem gesehen, wo es doch immer ein Teil der Lösung war, und zwar als Bestandteil eines differenzierten Schulsystems. Welche soziale Gerechtigkeit ist das, wenn Zehntausenden von SchülerInnen in ganz Österreich, die Entscheidungsmöglichkeit zwischen NMS und Gymnasium verweigert wird? Es ist statistisch belegt, dass ein Großteil der SchülerInnen aus einer gymnasialen Unterstufe in eine weiterführende Oberstufe gehen, und danach ein Studium beginnen. Selbst Landhauptschulen, die immer den Ruf hatten, gut zu sein, bereiteten diejenigen SchülerInnen, die trotz AHS-Reife in der HS oder NMS gelandet waren, nicht optimal auf ihre weitere Laufbahn vor: „Im Vergleich zu jenen, die im Alter von zehn Jahren ins Gymnasium kamen, waren es unter den begabten Hauptschülern mehr als 30 Prozent weniger, die es vier Jahre später an die höhere Schule schafften” (Edith Meinhart und Christa Zöchling, „Neue Mittelschule: Warum sie scheitern musste“, Profil, 10.2.2014). Leistung kennt keine Klassenschranken. Ein kluges Arbeiterkind ist in einem Gymnasium besser aufgehoben als in der NMS und hat in einem Ballungsraum die Chance, in ein solches zu kommen. Ein Arbeiterkind aus Deutschlandsberg hat diese Chance nicht. Deutschlandsberg braucht eine AHS-Langform, denn die NMS kann systembedingt guten SchülerInnen nicht die Bildung bieten, die sie brauchen.
FH-Prof. Mag. Mag. Dr. Dietmar Tatzl